Honolulu Silver

… (18 Jahre) über das Geheimnis seines Erfolges:

Nein diesen Whirlpool hatte ich nicht immer. Auch die 7 Ferraries sind neu. Wie ich an diese Traumvilla gekommen bin möchten Sie wissen?

Na gut.

Die Idee kam mir eher zufällig, als ich von meinem Onkel, der sein veraltertes 3D-Kino auflöste, ein paar Pappbrillen (Sie wissen schon, die mit der roten und der grünen Folie) geschenkt bekommen musste. "Danke für den Schrott" wollte ich schon sagen, als mir der Geburtstag meiner Ex-Frau einfiel. Seit Jahren lag sie mir schon in den Ohren, mit ihrem 30. Geburtstag und der totalen Sonnenfinsternis an jenem Tag. Wahnsinn.
(Der Gedankensprung ist leicht nachzuvollziehen: Schrott - Loswerden - Verschenken - 11.08.99).
Und plötzlich erinnerte ich mich an einen Bericht, den ich vor kurzem im Fernsehen gesehen hatte. Er behandelte das Problem, die Sonne zu betrachten ohne zu erblinden. Hier setzte mein geschärfter Verstand wie die Spitze eines handelsüblichen Küchenmessers an und witterte einen Ausweg aus der Geldlosigkeit. Ich hatte noch zwei Jahre Zeit und es gab viel zu tun.
Ich kratzte also die letzten Ersparnisse zusammen, überzog mein Konto und kam schließlich auf den stolzen Betrag von 13.000 DM. Von diesem Geld mietete ich die zum Abriss freigegebene Fabrikhalle im alten Industriegebiet, kaufte von der bankrottgewirtschafteten Firma ASLUcom sämtliche Alufolienreste auf (natürlich nicht diese Hausfrauenfolie, die in jeder Küche als Deko hängt, sondern eine Spezialbeschichtete für Industrie sowie weiterverarbeitende Posten), und heuerte ein paar billige Gastarbeiter unter Tariflohn an, wie es in dieser Branche üblich ist. Für den Rest des Geldes kaufte ich mir ein Schokoladeneis und hielt 4-5 Pfennig für die monatliche Miete zurück.

Nun hatte ich eine Firma gegründet. Als selbständiger Jungunternehmer stellte ich mich beim Arbeitsamt ab sofort vor, in der Hoffnung meinen Antrag auf Gewährung von überbrückungsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durchzubekommen.
Zuvor durfte ich jedoch die ganzen Anmeldeformulare, Versicherungsanträge bei den zuständigen ämtern meiner Stadt ausfüllen, mich mit der Industrie und Handelskammer rumschlagen und Bürokratie in einer absoluten überdosis verabreicht bekommen, wie sie sogar einem erfahrenen Fixer den goldenen Schuss gegeben hätte. Aber es sollte sich lohnen.

Das Patent auf solche Sonnenbrillen, wie wir sie produzierten lag natürlich schon seit Jahren bei irgendeinem Jemand, so dass ich mir die Rechte auf dem deutschen Markt nicht sichern konnte.
Aber welche Konkurrenz dachte schon 1997 an eine Sonnenfinsternis und vor allem an das dazugehörige Accessoire?
Eben.
Ein paar Maschinen, um die Pappgestelle auszustanzen, hatte ich bald aufgetrieben und so produzierten wir täglich über 10.000 Exemplare dieses nutzlosen Luxusartikels und die Produktion stieg stetig an.
Doch der wirklich schwierige Teil des Planes kam erst noch: Das Marketing musste auf Hochtouren laufen, und zwar früh genug, um einen guten Abgabepreis zu erzielen und natürlich eine Monopolstellung einzunehmen. Hierfür arbeitete ich mit einer sehr zuverlässigen Spedition zusammen, mit der ich eine Promotionmappe für bewährte Sonnenschutzbrillen erstellte. Fast jeder Optiker in Deutschland wurde mit unserem Propagandamaterial für Pappbrillen zugeballert. Einige bestellten sofort, andere waren wohl zu begriffsstutzig, um das Geschäft zu wittern, das sich vor ihnen auftat. Aber sie hatten natürlich die Adresse meiner Spedition und würden bei den ersten Anfragen der Kunden auch noch bestellen. Die Nachfrage bestimmt nun mal den Markt. Und sie sollte groß werden.

Es wurde Sommer 1999 und die Promotion lief längst von selbst. Sämtliche Zeitungen, alle Fernsehsender füllten ihr Sommerloch mit "dem Ereignis des Jahrtausends".
Es wurden Sendungen ausgestrahlt, die sich nur damit beschäftigten, welche Maßnahmen man für die beste Sicht auf die Sonne treffen sollte, wie gefährlich verrußte Glaßcheiben, Schweißerbrillen und Fotofilme für die Augen seien und wo man genau hingucken musste, um nichts zu verpassen.
Das Geschäft boomte. Die Nachfrage katapultierte den Preis so sehr in die Höhe, dass ich mir zwei weitere Speditionen leisten konnte, um auch wirklich jeden Dorfoptiker mit meinem Produkt zu beliefern. Sicher, es gab auch andere Anbieter, aber die hatten den Braten erst so spät gerochen, dass die meisten Endverkäufer schon mit mir Verträge abgeschlossen hatten.

Der Einkaufspreis lag im Paket bei 100 Stück zu 275 DM, und das bereits am Anfang des Jahres.
Doch der Andrang auf die Optiker nahm so enorm zu, dass in manchen Städten sogar die Polizei mit einem kleineren Aufgebot die Sicherheit der Läden und der Passanten gewährleisten musste. Es konnte einfach nicht genug Brillen geben.
Ich organisierte kurzerhand einen Eilzustellservice, der, gegen einen geringen Aufpreis, die Ware binnen 24 Stunden lieferte. In den letzten Juli Wochen lag der Einkaufspreis bereits bei 4,25 DM pro Stück und den Konsumenten kosteten sie, je nach Optiker, schon zwischen 7 - 10 DM.

Dann kam der 11 August 1999, und es war richtig beschissenes Wetter.
Während Massen von Idioten durch Pappgestelle zum Himmel starrten, saß ich in meiner Wohnung und rechnete ab. Wir hatten knapp 17 Millionen Brillen verkauft (es waren genau 16724519 Stück).

Die drei Speditionen (inkl. Eilservice) bekamen einen Lohn von jeweils 200000 DM, die Herstellungskosten betrugen weniger als 5 Pfennig für 10 Stück, das Startkapital war mehr als aufgebraucht, wobei die lächerlichen Zinsen meines Dispokredits gar nicht erst in die Rechnung mit einbezogen werden, und die Gastarbeiter waren eh schon im März gefeuert worden.
Am 12. August hatte ich mein Konto um 57851281 DM erhöht.
"Das sind eine Menge Steuern" war mein erster Gedanke, wie ich jedoch mit meinen drei Steuerberatern auch diese Situation meisterte und was ich alles mit diesem Geld anfange, können Sie sich selber ausmalen.
Die einzige Frage, die noch offen bleibt, ist wohl, was die 17 Millionen Menschen jetzt mit ihren Brillen machen.


Silver hört:
Von Pop über Ska und Swing oder Rock 'n Roll bis zu Klassik und Jazz.
z.B.: U2, Elvis, Tom Jones, The Stereo, Jimmy eat World, Weezer, Foo Fighters, Kyuss, Spiritual Beggars, Hellacopters, AC/CD, Motörhead, Social Distortion, James Bond Soundtracks, Cherry Poppin' Daddies, Brian Setzer, Eastern Standard Time, The Beethovens …
und so gut wie alles, was jetzt nicht hier steht.

Silver guckt:
Austin D. Powers I, Mars Attacks! oder Armee der Finsternis (und zwar dreimal täglich)

Silver liest:
Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund (Klaus Kinski) – ausschließlich auf LSD zu genießen, Aus dem Leben eines Taugenichts (Eichendorff) – nur im Frühling, Max Goldt, Titanic – das Schmuddelheft

Silvers Hobbies:
Rotwein und die Mondscheinsonate, Jazz - das neue Lebensgefühl, Pokern

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