Silver (Januar 2002)
Sex, Drugs and Pseudonym
Zuerst möchte ich Sie mit der Trächtigkeitsdauer eines Elefantenweibchens beeindrucken:
Stolze 22 Monate.
Wenn Sie das noch kalt lassen sollte, dann vergleichen Sie das mal mit der Geschwindigkeit eines Boris Becker Aufschlags:
258 km/h.
Die Frage ist nun: Wieviele Aufschläge schafft der Ex-Tennisstar in der Zeit, in der eine Elefantenkuh den Nachwuchs
austrägt?
"Unwichtig!" höre ich die aufgebrachte Menge schon schreien, die sich mit weißgott wichtigeren Sorgen dieser
Welt zu beschäftigen versteht.
Mich interessiert derartiger Schwachsinn auch nicht die Bohne, aber wenn eben jene elitären Leser den Kopf
schüttelnd "Deine Sorgen möcht ich haben" murmeln, fühle ich mich ein ganzes Stück besser
- quasi als die Elite der Elite. (Ähnlich wie He-Man, der immer der Stärkste der Starken war; nicht zu
verwechseln mit dem Starken der Stärksten, wer auch immer das nun wieder ist.)
Ah, ich sehe schon, sie schütteln wieder den Kopf. Vielen Dank, das schmeichelt.
Sorgen zu haben, für die man beneidet wird, hat Stil.
Nehmen wir mal Peter Alexander. Haben Sie gewusst, dass Peter Alexander gar nicht Peter Alexander sondern
Peter Neumayer heißt?
Da saß dieser Mensch nun in irgendeinem Musikantenstadl und dachte sich: "Hhhmmm, Neumayer klingt überhaupt nicht hipp,
viel zu bürgerlich. Ich bin ein Musikant und Musikanten heißen wie ein Lied, z.B. Marilyn Monroe oder Heidi Kabel."
Diese Sorgen möcht ich haben. Es gehört schon einiges dazu, sich von Peter Neumayer in Peter Alexander zu verwandeln.
Fast so genial wie von Günther Grubenstahl in Günther G.
Aber G. mit Ausrufezeichen, etwa so: "G.!"
Das hat zwar überhaupt keinen Stil, aber alle die den Namen sehen, denken sich: "Mein Gott, dessen Sorgen will ich haben."
Pseudonyme sind ja ohnehin etwas herrliches. Man benutzt sie als Produktname.
Ein Titel wie ein Schlag, der jedem klar macht, was dieser Mensch zu bieten hat.
Tom Jones, Grace Kelly oder Roberto Blanco.
Was Rudi Carrell jetzt explizit zu bieten hat, kann ich auch nicht sagen, aber Rudolf Wybrand Kesselaar war
für die dumme Nachkriegsjugend wahrscheinlich zu kompliziert, als das sie es sich hätten merken geschweige denn
aussprechen können.
Andere wiederum nutzen ihr Pseudonym, um so richtig auf die Kacke zu hauen, ohne dass der Familienname verschandelt wird.
Roy Black alias Gerd Höllerich wäre hier zu nennen. Für diesen Namen haben ihn Tausende Schwiegermütter vergöttert.
Aber vor allem die Pornodarsteller legen die größte Kreativität an den Tag, wenn es darum geht ihre Qualitäten in
einem würdigen Namen zu verpacken. John Long Silver ging da vielleicht etwas plump zu Werke, aber verbale Goldschmiede
wie Chantal Chévantier, Sunset Thomas oder Maggie Mysterie sind auch in dieser Branche anzutreffen und könnten zudem
allesamt Bandmitglieder der Wohlstandskinder sein.
Natürlich gibt es auch Prominente, die sich einfach nur schämen ihren richtigen Namen in der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Wie stände auch John Wayne da, wenn man diesen Pfundskerl als "Marion Michael Morisson" kennengelernt hätte?
Der hätte nicht den Schurken, Ganoven und Rabauken des frühen Hollywoods auffe Omme gegeben, sondern Werbung für
Damenunterwäsche gemacht, oder zumindest welche getragen.
Und dann gibt es wiederum die Prominenten, die so coole Namen haben, dass sie eigentlich gar keine Pseudonyme bräuchten.
Terence Hill oder Bud Spencer, um mal zwei zu nennen. "Zwei Himmelhunde auf dem Weg zu Hölle" mit Mario Girotti und
Dr. Carlo Pedersoli.
Das sind Titel! Da hätte ein Udo Jürgen Bockelmann alias Jürgens ruhig mal bei den schlagkräftigen Italienern anklopfen
und höflich fragen können: "Äh, Verzeihung, jetzt, da Sie Ihre Namen abgelegt haben, könnte ich da vielleicht…"
Ausnahmen gibt es immer wieder. Einer, der den Sprung zwischen Rockstar- und Bürgertum vortrefflich gemeistert hat,
ist "DIETER THOMAS HECK".
Ein Name wie der tödliche Streich eines Fechters, der mit schwarzer Zorromaske verhüllt elegant nach vorne stürzt und
seine filigrane Waffe in den Bauch eines jeden Zweiflers sticht.
Das liegt vermutlich an der vorbildlich aufgeteilten Silbenanzahl.
TAATAA TAATAA TA!!!!
Wichtig hierbei ist die kurze und harte Ausprache der letzten Silbe. Stellen Sie sich vor, Sie holen im bedachten
Hopserlauf Schwung und vollenden die Kür nach zwei graziösen Sprüngen mit einem bombastischen Tritt in die Weichteile
Ihres Sportlehrers. Das hat Stil. Da weiß jeder sofort Bescheid.
-"Hey, ist das nicht Die-ter Tho-mas Heck?"
-"Ja, verdammt. Mir tut jetzt schon der Sack weh!"
Naja, ist jetzt was albern. Aber versuchen Sie doch mal die Silben nachzuklopfen. Um das richtige Dieter Thomas
Heck-Feeling zu bekommen, gehört schon etwas Übung und Ausdauer dazu, aber es lohnt sich, soviel kann ich
Ihnen versprechen.
Wenn Sie selber mit dem Gedanken spielen sollten, sich ein Pseudonym zuzulegen, versteht es sich von selbst,
dass Sie bei großen Meistern der Betitelung erst einmal aufmerksam hinhören und abgucken,
bevor Sie selber anfangen wüst in der Gegend rumzubenennen. Und wieso sieze ich Sie überhaupt?
Ein weiteres Privileg der Pseudonymbesitzer ist es natürlich, jeden so anzusprechen wie es einem selber beliebt.
Man kann ohne weiteres in ein Geschäft gehen und den Verkäufer mit "He da, Bursche!" anreden, wenn einem danach ist.
Sollte dieser seinerseits die Dreistigkeit besitzen, Sie nach Ihrem Künstlernamen zu fragen, reagieren Sie besonnen.
Zeigen Sie ihm in aller Ruhe Ihren Personalausweis, auf dem unter Ordens- Künstlernamen das jeweilige Pseudonym
eingetragen ist, lassen Sie ihm genügend Zeit sich bei Ihnen angemessen zu entschuldigen und fuchteln Sie ihm
dabei mit dem Fehdehandschuh unentwegt vor der Nase rum (ein Utensil übrigens, das zu jedem guten Pseudonym
mitgereicht wird).
Ruckartig lassen Sie nun Ihre Hose runter, richten sich in voller Pracht vor dem Wicht auf und brüllen etwas aus
dem alten Testament.
"IM ANFANG SCHUF GOTT HIMMEL UND ERDE!!!!!"
Oder besser noch: "ICH BIN GOTT!!!!"
Wiederholen Sie das vier fünf Mal und setzen Sie dramatische Pausen. Spätestens jetzt dürfte Ihr
Gegenüber verstanden haben:
Sie sind ein Genie.
Wechsel bei Deinem Auftritt ruhig die Anredeform, wie an diesem Beispiel verdeutlicht. Beschränke Dich dabei nicht
nur auf die zweite Person, sondern spiele wild mit den Möglichkeiten. Das signalisiert Offenheit und Individualismus.
"Ich wollte EUCH lediglich in einer beruflich spezifischen Frage zu Rate ziehen: Ist ER wohl bereit mich jetzt zu
bedienen? So sprich!"
Rede im Konjunktiv: "Würde ES den güldenen Taler dargereicht bekommen, verstünden WIR wesentlich mehr von den
tasmanischen Transistorenempfängern."
Nennen Sie ihren Gesprächspartner hin und wieder "Majestät" - das schmeichelt.
Oder beraten Sie sich mit imaginären Dritten.
Sie sehen, der Möglichkeit sind keine Grenzen gesetzt.
Selbst bei anfänglichen Schwierigkeiten nicht aufgeben. Auch ein Falco fing als kleiner Johann Hölzl an.
Wo das also mit dem Namen geklärt wäre, ist es nun an der Zeit, sich um Ihr Äußeres Gedanken zu machen -
im Fachjargon sagen wir "Look" oder "Stile".
Ihr "Look" muss eine Einheit mit Ihrem Namen bilden. Wenn man Sie sieht, sollte man sofort denken:
"Diese/r Ladie/Gentleman heißt … z.B.: Audrey Hepburn. Oder finden Sie nicht, dass Audrey Hepburn wie
Audrey Hepburn aussieht? Also wie Edda Hepburn van Heemstra sieht sie nicht gerade aus, oder?
Naja, und eben dafür gibt es jene verbale Schönheitsoperationen, von denen ich Sie eh schon längst überzeugt habe.
Zurück zu Ihrem "Look". Veranschaulichen wir uns die Kooperation von Name und Aussehen an einem Beispiel:
Sieht man diese Anzeige aus einer billigen Damenzeitschrift, möchte man unwillkürlich denken: "Wir saugen Ihnen den Schnodder aus der Fotze!" Das heißt aber noch lange nicht, dass es sich hier bei um Captain Vorhaut und Fräulein Schamlippe handelt.
Beschuldigen Sie mich jetzt nicht der Niveaulosigkeit. Ich habe dieses Foto schließlich nicht gemacht. Doch verstehen Sie nun, wie wichtig Ihr "Stile" ist?
Oder dieser junge Mann hier:
Namen wie "Charles Bronson" oder "Rock Hudson" liegen diesem Individuum so fern wie ein Intelligenz Quotient von 92.
Als Automechaniker käme ich mir irgendwie verarscht vor, wenn ein Hampelmann wie dieser meine Berufsgruppe vertritt.
Bei genauerer Betrachtung glaubt man ihn sagen zu hören: "Ööhöö!" oder einfach nur "ÖÖÖÖÖÖ!". Ich wette, das ist der Sohn von Captain Vorhaut und seiner Schwester Fräulein "naSiewissenschon". In einem Porno-Magazin, was aufs Fisten spezialisiert ist, gehört dieser Mensch aufs Titelblatt, womit ich jetzt keine Faustficker beleidigen wollte.
Apropos, derartig veranlagten Menschen kann ich nur raten: Werden Sie Veterinär im Kölner Zoo. Die haben ein riesen Elefantenhaus, und wie Sie heute bereits gelernt haben, kann man dort 22 Monate "nach dem Rechten sehen".
Viel Vergnügen und einen abartig perversen Tag
wünscht
Ihr
Honolulu Silver