RAKI (August 2003)

Apologie der Gier

Wir wurden schon mehrfach gebeten uns zu dem gängigsten Vorwurf zu äußern, den es an Bands von Seiten der Musikhörenden gibt: Früher seien sie viel besser gewesen und musikalisch hätten sie sich nur geändert, weil sie geldgeil geworden seien.

Das hört sich immer ein wenig nach reaktionärem Nostalgiegekeife getreu dem Seniorenklischee der ‚Alten Zeiten' an, ein Kommentar dazu kann also nicht schaden. In der ganzen Bescheidenheit meiner Rolle als Wahrheitsprophet und Punkpädagoge reduziere ich hier dergleichen Spekulationen zumindest für jene, die sich die Mühe machen sich zu informieren, bevor sie meckern. Denn trotz aller berechtigten Zweifel an den Möglichkeiten der Vernunft bin ich immer noch ein Fan der geistigen Aufklärung durch Wissen, und seine Vermutungen über eine Band gegen Informationen einzutauschen ist der Natur des Genres nach nicht so leicht. Als Band kann man sich ja nur beglückwünschen, wenn möglichst abwegige und spektakuläre Gerüchte über sie in Umlauf sind, denn die erhöhen deren Grad der Mystifikation und damit ihrer Interessantheit. Wenn sich genügend Mären gesammelt haben, kann sie dann ein Buch mit dem Titel ‚Bandbiographie - Nichts als die Wahrheit' oder dergleichen herausbringen. Als Kind haben mir meine Eltern zwar bei jedem seiner Wetten Dass…? - Auftritte beteuert, dass sie Phil Collins dem Elton John vorzögen, weil dieser so natürlich geblieben sei, jener aber eine bescheuerte Rockstarbrillenallüre habe. Schon daraufhin musste ich Phil Collins wegen fehlender Ominösität doof finden. Obwohl Elton John dann aber auch nicht besser wegkam.

Aber wenn ich mir immer und immer wieder nur den einfallslosen Vorwurf anhören muss, ich würde die Musik, die ich heute so mache, nur und ausschließlich aus pekuniärer Gier heraus spielen, fällt es mir auf die Dauer doch etwas schwer, dies mit einem Kopfschütteln abzutun und mir zu denken: ‚Die armen Choleriker, in drei Jahren sind auch die zur Vernunft gekommen und wissen wie der Hase läuft…' oder ähnliches. Und wer mir erzählt, er glaube uns nicht, dass wir uns im Laufe von sechs oder sieben Jahren charakterlich ebenso stark verändert hätten, wie musikalisch, der wohnt im Wolkenkuckucksheim.

Es gehört zu den vorteilhaftesten Eigenschaften des Menschen lernfähig zu sein, sich seiner wandelnden Situationen anpassen und sich immer wieder neue Ziele und Aufgaben suchen und dadurch Zeit seines Lebens seine Ansichten um 180 Grad und mehr drehen zu können. Andernfalls bliebe ja Doof gleich Doof und unsere Rechtssprechung dürfte der Idee nach nicht mehr auf Resozialisierung durch Reue, Sühne und Läuterung abzielen, sondern jeden Delinquenten an das nächste Reklameschild aufknüpfen. Ich jedenfalls will niemanden dazu verdammen bis zum Sankt Nimmerleinstag die gleiche Masche abzuspulen, denn dem bleibt nur die Flucht durchs Fenster, wie einst Rex Guildo.

Ergo: Wir haben unsere musikalischen Präferenzen, unsere Attitüde und unsere Ansichten seit der Veröffentlichungen von ‚Für Recht und Ordnung' und ‚Poppxapank' geändert, schlimmer noch: wir tun es immer weiter. Und wer auf der Suche nach der Band ist, die Stil und Geist von diesen Platten vertritt und gleichzeitig ‚Wohlstandskinder' heißt, rennt gegen die Wand.

Aus einer Veränderung als solcher lassen sich keine Vorwürfe ableiten. Und über unsere musikalische Entwicklung lässt sich wie über Geschmack schlechthin nicht streiten, allenfalls reflektieren. Dass man als Zuschauer eines unserer Konzerte seine Erwartungen eher an unseren neueren Platten orientieren sollte, als an den ganz alten, kann sich jeder an seinen zehn Fingern abzählen. Wer das nicht hinbekommt, muss mit eventuellen Enttäuschungen umgehen können und darf sich das Klagen sparen. Das gilt übrigens für jede Band.

Über den Inhalt unserer Texte äußere ich mich nicht, denn nicht ich schreibe sie. Natürlich sieht und sah sich nicht jeder von uns durch jeden Text zu 100% vertreten, das wäre auch gar nicht möglich. Trotzdem können wir als Band hinter ihnen stehen und verleugnen nichts und niemanden, wenn wir auf der Bühne dazu rocken.

Und wer Marx glaubt, der weiß, warum sich Menschen ändern: Ihr Sein bestimmt ihr Bewusstsein. Die Rahmenbedingungen der Band haben sich in den letzten acht Jahren nicht gerade zu knapp gewandelt. Als wir die ‚Poppxapank' rausgebracht haben, wohnten wir noch alle brav bei Mutti. Heute sind wir doch mehr damit beschäftigt unser eigenes Leben so zu führen, wie wir es für erstrebenswert halten, als uns über die Macken und Engstirnigkeiten von Nachbarn und Eltern zu mokieren. Und natürlich trägt uns Mami auch nicht mehr den Arsch nach uns schenkt uns zu Weihnachten ne Gitarre, weil Musik doch ein so lobenswertes und kreatives Hobby ist. Von wegen ‚Heute geht's denen nur noch ums Geld' - früher ging's uns tatsächlich nicht ums Geld. Schließlich haben wir auch gar keines bekommen. Und gebraucht haben wir's ja auch nicht, solange Mama da war. Wir heißen ja nicht gänzlich zufällig Wohlstandskinder.

Aber vielleicht ist es nicht nur unseren Eltern aufgefallen, dass unsere Behauptung 17 Jahre alt zu sein von Jahr zu Jahr unglaubwürdiger wird. Wenn wir anno 2003 ein Konzert spielen, ist uns nicht länger egal, ob wir Geld daran verdienen, oder nicht. Denn einerseits wissen wir, dass im Rahmen unserer Band mittlerweile Geld fließt, und wenn es das schon tut, dann unserer Meinung nach auch am besten zu uns. Andererseits ist die Band nicht mehr nur unsere elterlich subventionierte Kreativspielwiese, sondern unser Garant für unser täglich Döner. Keiner von uns geht irgendeinem anderen Beruf nach, geschweige denn, dass er einen erlernt hätte. Wir können uns ja den ganzen Tag auf die Schultern klopfen, dass wir aus eigener Kraft eine Band aufgebaut haben, die überhaupt schwarze Zahlen schreibt, so unwahrscheinlich, wie das heute im Musikgeschäft geworden ist. Doch wer glaubt, es gehöre kein Idealismus mehr dazu, heute bei den Wohlstandskindern zu spielen, irrt gewaltig. Und wir bemühen uns heute mehr denn je darum, fangerecht zu sein und niedrige Preise anbieten zu können. Allerdings wird das immer schwieriger, um so mehr Leute mitmischen, vor allem, wenn diese an den längeren Fäden ziehen als wir.

Daher schrecken wir auch nicht davor zurück Gelegenheiten zu ergreifen, die unseren Krach populärer machen. Das haben wir schließlich noch nie getan, weil wir immer der Ansicht waren, dass unser Kram noch viel mehr Menschen gefallen könnte, wenn sie ihn nur kennen würden. Den Umkehrschluss dagegen verbitten wir uns. Wir haben unseren Stil noch nie dem Geschmack eines potentiellen Publikums angeglichen. Täten wir das, würden wir ja auch immer dem Geschrei nach dem kleinen Luder Folge leisten. Die Band hat keinen höheren Auftrag, als uns selber Spaß zu machen, und wenn uns langweilt oder nicht gefällt dies oder das zu tun, lassen wir es auch. Würde es uns nicht darum gehen, unser Handeln auch vertreten zu können, wäre die ‚Für Recht und Ordnung' noch im Handel. Und das wäre weiß Gott leicht verdientes Geld, wie die Begehrlichkeit der Platte bei ebay beweist. Kommerzialität bedeutet doch aber nicht darüber erhaben zu sein, Geld abzulehnen.

Nicht zu verwechseln ist Kommerzialität mit Professionalität. Wir versuchen seit Jahren unseren Job so gut wie möglich zu machen und unsere Fans nicht an einem Mangel an Organisation und Mühe leiden zu lassen. Deshalb suchen wir uns Partner, die uns professionelle Arbeitsweisen bieten können. Wir haben Vitaminepillen verlassen, weil es denen an den Rahmenbedingungen mangelte aus einer Band mehr als ein Hobbyunternehmen zu machen. Wir wollen aber mehr als wochenends im Jugendzentrum rocken. ‚Professionell' ist zwar auch nicht gleichbedeutend mit ‚super'. Aber für die meisten anderen Methoden Geld zu verdienen muss man erheblich mehr Kompromisse eingehen, als wenn man es als Band tut. Es kann ja nicht immer alles so vermeintlich ideal ablaufen, wie bei Umsonst & Draußen - Festivals, wo es scheißegal ist, wer bezahlt.

Übrigens ‚stehen' wir durchaus zu unserer Vergangenheit. Wir verheimlichen keinesfalls mit Knochenfabrik auf Tour gewesen zu sein oder irgendein Lied gespielt und aufgenommen zu haben. Aber wir lachen eventuell darüber.

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